Zu Potsdam, anno 1954,...
...ward im Zeichen des Steinbocks ein Ludovico geboren,
welchselbiger hernach in West-Berlin aufgewachsen....
Der Vater Kurt Kramer, Schauspieler und später Musik- und Filmproduzent beim SFB,
die Mutter Edita Weiss, Opernsängerin.
Mit drei Jahren stand er das erste mal vor der Kamera. Mit 11 hatte er seine erste
Filmrolle und spielte u.a. mit Rudolf Platte, Siegfried Lowitz und Wolfgang Staudte.
Doch sein Traumberuf damals war Dirigent, er liebte klassische Musik und hatte ab
dem siebten Lebensjahr Klavierunterricht.
Sein Leben begann Formen anzunehmen
Mit dem Beginn der neuen Zeitrechnung - dem Auftreten der Beatles, die er über
eine englische Freundin schon als die Silver Beatles mit Tony Sheridan kennen
lernte - brach er sofort den Klavierunterricht ab und begann in Alter von dreizehn
Jahren Gitarre zu spielen.
Die "Safebreakers", eine Band um den Sänger Udo Arndt - späterer Produzent von
"Spliff" und Nena - der Gitarrist, Lucas Dammer, erster Gitarrenlehrer von
Kramer - dienten als Vorbild. Kaum waren drei Akkorde gelernt, wurde eine Schulband
mit Namen "Ugly Things" ins Leben gerufen und man jammte drauf los.
Aufbruch in andere Welten: Seine erste Band
Mit fünfzehn gründete er mit drei anderen die Band "Agitation Free".
Man spielte anfangs bekannte Songs aus dem Radio nach, doch das war auf Dauer unbefriedigend.
Kramer bekam zu dieser Zeit Unterricht von dem bekannten Jazzgitarristen Johannes Rediske.
Eine Reise nach England inspirierte ihn zu freier Musik und - immer wieder -
die klassische Musik: eine Arie, die "Habanera" aus "Carmen", die seine Mutter probte,
wurde zur Initialzündung, denn eine Stunde später im Übungsraum bei Christopher
Franke im Eichkamp, spielte er dieses Stück aus Carmen mit der Gitarre nach. Nach
anfänglichem Protest der Band stieg schließlich Michael "Fame" Günther mit dem
Bass ein und am Schluss war die ganze Band dabei, dieses Stück zu improvisieren.
Das war der Anfang - wahrscheinlich auch eine der Geburtsstunden der späteren
sogenannten "Berliner Schule". "Agitation Free" war mit die erste Band, die mit freien
Improvisationen Ende 1967 öffentlich auftrat - und das mit großem Erfolg.
Fast zur selben Zeit machten das auch "Tangerine Dream", die sich parallel entwickelten,
noch etwas später "Guru Guru", "Amon Düül" und "Ash Ra Tempel".
1968 wurde das Beat-Studio ( Pfalzburgerstraße) von "Agitation Free" mit Eierkartons
eigenhändig ausgebaut. Später kamen "Tangerine Dream" und "Ash Ra Tempel" dazu.
"Agitation free", der Name wurde immer mehr zum Programm, - agitation - laut Wörterbuch:
Aufregung, Erregung, Beunruhigung, Agitation, Hetze, Aufwiegelung, (heftige) Bewegung.
Die Auftritte von "Agitation Free" waren extaktische Happenings. Die Grenzen zwischen
Publikum und Band lösten sich auf, Instrumente wurden im Saal verteilt und manchmal
wuchs das Ganze zu einer organischen Einheit zusammen. Die Musik war, wie es Christopher
Franke kürzlich in einem Interview treffend beschrieb: "loud, noisy, ugly and very
similar to punk."
Film ARD "Die Klasse", ca. 1967 Regie Wolfgang Staudte
Was ihn bewegte: Politik
Ludwig Kramer war der einzige in der Band, der den Namen auch als politische
Losung verstand. Er hatte sich seit seinem dreizehnten Lebensjahr für Politik
interessiert, sich als Fünfzehnjähriger gefragt, was die Amis in Vietnam
eigentlich zu suchen haben, regelmäßig den SDS (Sozialistischen Deutschen
Studentenbund) in Berlin besucht und, obwohl er Rudi Dutschke nicht so recht
verstand, doch begriffen, dass die Studenten eine andere Form des
Zusammenlebens anstrebten. Er ging auf Demonstrationen und als Siebzehnjähriger
wurde er wegen Körperverletzung und Rädelsführerschaft verurteilt.
Seine Entwicklung, Kommune 1
Dies führte ihn nur weiter in die Richtung des linken Widerstandes.
Er zog in die Kommune 1, auch deshalb, weil Rainer Langhans und Uschi Obermaier
die Musik von Agitation Free gut fanden und das Untergeschoss der Kommune der
Band als Übungsraum diente. Dort lernte er die Band "Amon Düül" kennen, die häufig
zu Besuch war. Es wurden wilde Sessions veranstaltet, Selbsterfahrungstrips
mit psychedelischen Drogen waren an der Tagesordnung - Erfahrungen, die
natürlich in die Musik mit einflossen.
Die Band wurde der musikalische Lautsprecher der radikalen Linken, wie den
"Umherschweifenden Haschrebellen" und anderen.
Der Streit unter den Bandmitgliedern ließ nicht lange auf sich warten, es ging
auch über die grundsätzliche Ausrichtung ihrer Musik. Für Kramer war die Musik
ein Ausdruck seines augenblicklichen Empfindens, sie musste spontan entstehen,
sollte nicht reproduzierbar sein. Plattenaufnahmen kamen für ihn daher nicht
in Frage. Die anderen aus der Band wollten aber genau das: Platten aufnehmen
und berühmt werden. Außerdem kam Kramer immer öfters zu spät in das Beat -
Studio in der Pfalzburgerstraße, welches als Proberaum fungierte, Demos und
Selbsterfahrungen waren ihm wichtiger. So trennte man sich nach circa
dreijähriger Zusammenarbeit.
Als jüngster Mitbewohner der Kommune 1 vernachlässigte er immer mehr die Schule,
denn sie war ja schließlich nichts anderes als auch eine Institution bürgerlicher
Repression und so war es folgerichtig, dass er die Schule ohne jeden Abschluss
verließ. Auch mit dem Elternhaus brach er jeden Kontakt ab und stieg parallel
zu seinen politischen Aktivitäten, die ihm immer wichtiger wurden, bei "Walpurgis"
ein. In dieser Band, deren Musikstil sich am ehesten mit romantischem Rock
beschreiben lässt, entdeckte er seine song-writing-Qualitäten.
Die politische Auseinandersetzung verlief immer radikaler, der Staat antwortete
auf harmlose Provokationen immer härter. Die Idealisten und Romantiker der
Bewegung verschrieben sich der Illegalität. Die Kommune 1 löste sich auf.
Schicksalsschläge veränderen das Leben
Auf einer Fahrt durch die damalige DDR überlebte er einen schweren Autounfall,
ein Freund wurde dabei schwer verletzt und starb vier Wochen später an den
Folgen des Unfalls. Ludwig Kramers Leben hatte sich mit einem Schlag verändert.
mit Bruder Michael vor einer großen Reise
Eigener Weg: Thailand, Buddhismus
Er ging auf Reisen und landete in Thailand, wo er fast acht Jahre blieb,
handelte dort mit Kunsthandwerk: u.a. Ratanmöbel und Lackmalereien, fuhr
Motorrad und spielte auf seiner Konzertgitarre am Strand - Lieder schrieb
er nur noch für das Tagebuch - und lernte den buddhistischen Weg kennen und
lieben. Ein Mönch, der zu seinem Lehrer wurde, begleitete ihn.
Auch eine Form der Meditation
erste Fazination für die Gitarre im Kindergarten St. Ludwig, Berlin Charlottenburg
Walpurgis bei der Probe, in der Mitte Tanja Berg, daneben Lutz.
Das Leben akzeptieren, loslegen
Mit fast dreißig Jahren schloss er seinen Frieden mit seinen Eltern und seinem
Land und ging nach Deutschland zurück. Es zog ihn nicht nach Berlin, um Musik
zu machen, sondern ging wegen einer Frau nach Darmstadt, wo er sich eine neue
Existenz aufbaute.
Er arbeitete bei der ESOC (European Space Operation Centre) im
Sicherheitsdienst(!), entdeckte das Malen wieder, mit dem er schon zur Zeit
von "Agitation Free" experimentiert hatte, und stellte seine Bilder aus -
im Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe (!). Er ergriff den Beruf des
Altenpflegers, besuchte eine Krankenpflegehochschule in Frankfurt, wurde
Dozent für Pflegeberufe, leitete eine Altenpflegeschule in Frankfurt und
ist heute Referent für Betriebsorganisation bei der Caritas in Offenbach,
wo er darüber hinaus auch ein Haus für alte, schwer verwirrte Menschen
leitet. Außerdem entdeckte er das Theater wieder und wurde Regisseur bei
einer Theatergruppe in Südhessen.
1989 heiratete er Oya Aygün, eine Tartarin aus der Türkei. 1993 kam sein Sohn
Arian und 1995 seine Tochter Miriam auf die Welt. - seit 2007 wandelt man wieder
auf getrennten Pfaden....
Oya und Ludwig irgendwo in Anatolien
Bemerkenswerte Treffen der letzten Jahre:
Bild 1: "Big" Jim Marshall himself, Frankfurter Musikmesse 2003
Bild 2: Mit Berry Gibson "The Shadows" und Burns Guitars bei der Frankfurter Musikmesse 2003
Bild 3: Zwei, die gleich sind: Mr. Frank Diez und Ludwig`s 68` Les Paul
Lutz musste aus Gründen, die er nie nachvollziehen konnte,
in eine Klosterschule der "(un-)barmherzigen Schwestern" in Kalzhofen bei Oberstaufen.
Er war dort von seinem 7. bis 11. Lebensjahr.
Einige meiner Weggefährten gehören nun auch zur "Schreibenden Zunft"
Und nun: Auf in die Gegenwart